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Wissen ebi-aktuell Die Phytotherapie

Die Phytotherapie

Die Komplementärmedizin bietet eine grosse Vielfalt an Behandlungsmethoden an. In unserer Serie stellen wir Ihnen einige der Methoden genauer vor. Dieses Mal erfahren Sie, was man unter Phytotherapie versteht und was die Therapieform alles beinhaltet.

Die Heilpflanzenkunde reicht bis zur Urgeschichte der Menschheit zurück

Die Phytotherapie oder man verwendet auch das Wort Pflanzenheilkunde, gehört zu den ältesten medizinischen Therapien überhaupt und ist auf allen Kontinenten und in allen Kulturen verankert. Die ältesten historischen Aufzeichnungen über Heilpflanzen sind 6000 Jahre alt und in Keilschrift erhalten. Sie wurden am Persischen Golf auf Tontafeln gefunden. Das erste Kräuterbuch entstand 3000 v. Chr. in China und listet rund 1000 Heilpflanzen auf.

Im Mittelalter übernahmen Mönche und Nonnen eine wesentliche Rolle in der Pflanzenheilkunde, darunter zum Beispiel Hildegard von Bingen. Paracelsus formulierte schliesslich erstmals schriftlich die so genannte Signaturlehre, die besagt, dass das Aussehen der Pflanze auf ihre Heilwirkung schliessen lässt. Lange belächelt deswegen, erfährt Paracelsus heute durch moderne Forschungen teilweise Bestätigung. Die Pfarrer Kneipp, Künzle und Weidinger hielten die Tradition der Kräuterheilkunde im 19. und 20. Jahrhundert weiter hoch. Im 20. Jahrhundert stellte zudem der Arzt Dr. Rudolf Weiss die Heilpflanzenkunde auf eine wissenschaftliche Basis. Er gründete den ersten Lehrstuhl für Phytotherapie in Deutschland und sorgte so für die Anerkennung der Phytotherapie durch die Schulmedizin.

Gemäss dem britischen Zentrum für botanische Forschung, Kew Gardens, gibt es aktuell weltweit mehr als 28'000 Pflanzenarten mit medizinischem Nutzen. In der europäischen Pflanzenheilkunde werden heute zirka 500 Pflanzen zur Herstellung von Arzneimitteln genutzt.

Was ist der Unterschied zwischen traditioneller und rationaler Phytotherapie

In der Phytotherapie werden zwei Richtungen voneinander unterschieden: die traditionelle und die rationale Phytotherapie. Die traditionelle Phytotherapie ist eine Therapierichtung, die sich primär auf überlieferte Erfahrungen stützt (Volksheilkunde). Dabei kann die traditionelle Verwendung einer Pflanze je nach Land unterschiedlich begründet sein.

Die rationale Phytotherapie basiert auf der traditionellen europäischen Phytotherapie, erhebt aber darüber hinaus den Anspruch, neben vorhandenem Erfahrungsmaterial, naturwissenschaftliche Bewertungsmassstäbe zu verwenden. Deshalb gehören pharmakologische und toxikologische Untersuchungen ebenso zur rationalen Phytotherapie, wie der Wirksamkeitsnachweis in randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudien nach den Richtlinien der Good Clinical Practice.

Anwendung der Phytotherapie

Bei der Phytotherapie werden Krankheiten mit Zubereitungen aus Heilpflanzen behandelt. Es kommen grundsätzlich nur ganze Pflanzen oder Pflanzenteile (Blüten, Blätter, Früchte, Samen, Wurzeln, Rinde) zur Anwendung, also keine isolierten Einzelstoffe. Diese in der Pharmazie als Droge bezeichneten Ausgangsstoffe werden in der Form von Heilpflanzentees, Bädern, Umschlägen, Inhalationen und Wickeln, aber auch in Form von Kapseln, Tabletten, Tropfen und Zäpfchen aus Pflanzenextrakten angewendet. Die Stärken der Phytotherapie liegen in der Prävention (z.B. Infektabwehr) und bei der Behandlung von funktionellen Beschwerden (z.B. Schlafstörungen) und chronischen Erkrankungen. Im Allgemeinen sind Pflanzenheilmittel sehr gut zur längerfristigen Einnahme geeignet. Es gibt aber auch Heilpflanzen, die nur über eine kürzere Zeit angewendet werden sollten. So können zum Beispiel Wacholderbeeren in hohen Dosen und bei langer Verwendung die Nieren schädigen. Auch Pfefferminze sollte man nicht dauernd einsetzen, denn sie kann unter Umständen den Magenschliessmuskel erschlaffen lassen und dadurch Sodbrennen auslösen. Wer ein pflanzliches Arzneimittel über längeren Zeitraum einnehmen möchte, sollte sich deshalb unbedingt von einer Fachperson in der Apotheke oder Drogerie oder von einem Arzt oder Therapeuten beraten lassen.

Wirkweise oder das Geheimnis liegt in der Vielfalt

Die Wirkung der Heilpflanzen beruht auf ihrer meist sehr komplexen Zusammensetzung aus ätherischen Ölen, Bitterstoffen, Gerbstoffen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Vitaminen usw. Wenn also von einer Pflanze einzelne Wirkstoffe isoliert und untersucht werden, dann zeigt dies immer nur einen Teil der Gesamtwirkung, denn alle anderen vorhandenen Inhaltsstoffe - und seien sie scheinbar noch so unwichtig – beeinflussen die Art, die Dauer und sogar den Zeitpunkt der Wirkung ebenfalls mit. So sagte zum Beispiel der erste Inhaber des Lehrstuhls für Naturheilkunde an der Universität Zürich, der emeritierte Professor Dr. med. Reinhard Saller: «Ausser den besonders wirksamen Inhaltstoffen haben auch die Nebenwirkstoffe und die Ballaststoffe Anteil an der guten Wirkung und Verträglichkeit von pflanzlichen Arzneien.» Da eine Pflanze Hunderte, ja Tausende von chemischen Verbindungen enthält, die im Zusammenspiel wirken, sind auch viele herkömmliche Testverfahren mit der Komplexität von Pflanzenpräparaten überfordert und es ist oft schwierig, eine jahrelang erprobte Wirksamkeit exakt zu beweisen. So konnte zum Beispiel bis heute die beruhigende Wirkung des Baldrians oder der Passionsblume nicht völlig entschlüsselt werden.

Sanfte Medizin oder nutzloses Grünzeugs?

Immer wieder hört oder liest man undifferenzierte und pauschale Äusserungen zum Thema Phytotherapie. Während die einen die in Pflanzen enthaltenen Inhaltsstoffe als Wundermittel bezeichnen, lächeln andere über das Grünzeugs, welches angeblich nichts nützt oder führen an, auch Pflanzen könnten schliesslich töten. Behauptungen pflanzliche Präparate hätten hinsichtlich ihrer Wirkung einen zweifelhaften Nutzen sind aber genauso falsch, wie die Behauptung pflanzliche Medizin sei stets sanft und in der Anwendung ohne Risiko. Auch phytotherapeutische Präparate können Nebenwirkungen haben, wenn auch bei fachlich sorgfältiger Anwendung selten solche mit schwerem Ausmass.

Wie grenzt sich die Phytotherapie von der Homöopathie ab

Oft werden Phytotherapie und Homöopathie in einen Topf geworfen, obwohl sie sich deutlich voneinander unterscheiden. Pflanzen spielen zwar bei beiden Methoden eine grosse Rolle. Im Gegensatz zur Phytotherapie, die nur unverdünnte Pflanzenextrakte verwendet, werden in der Homöopathie die pflanzlichen Inhaltsstoffe allerdings stets verdünnt und zum Teil auch mit tierischen, mineralischen und anderen Substanzen kombiniert. Wissenschaftlich ist die moderne Phytotherapie inzwischen gut erforscht und durch zahlreiche Studien anerkannt. Pflanzliche Arzneimittel sind deshalb heutzutage oft eine gute Alternative zu chemischen Wirkstoffen und haben meistens ein geringeres Nebenwirkungspotential.

Homöopathische Präparate hingegen beruhen auf einem anderen Wirkprinzip, dem so genannten Ähnlichkeitsprinzip. Dabei geht die Homöopathie davon aus, dass ein Präparat, das beim gesunden Menschen in verdünnter (potenzierter) Form bestimmte Beschwerden hervorruft, bei einem kranken Menschen, mit eben diesen Beschwerden, heilsam wirkt. Einen Unterschied zur Phytotherapie bildet auch die so genannte Dosis-Wirkungsbeziehung. Ein Wirkstoff, egal ob chemisch oder in Form einer Heilpflanze, wirkt laut Schulmedizin umso stärker und hat mehr Nebenwirkungen, je mehr man davon einnimmt. Die Homöopathie geht vom Gegenteil aus: Je verdünnter die Ausgangssubstanz, desto stärker soll sie wirken. Mit den heutigen naturwissenschaftlichen Methoden lässt sich deshalb auch kein Nachweis oder eine naturwissenschaftliche Begründung der Wirksamkeit der Homöopathie erbringen.

Gemeinsam haben beide Methoden, dass sie Wert auf eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen sowie seiner Leiden legen. Im Zentrum beider Therapieformen stehen die Selbstheilungskräfte.


Hier finden Sie weitere Informationen zur Phytotherapie

Schweizerische Medizinische Gesellschaft für Phytotherapie | SMGP (smgp-sspm.ch)

Arzneipflanzenlexikon - Kooperation Phytopharmaka


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Was ist Isopathie? 

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Die orthomolekulare Therapie – einfach erklärt

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Autor/in:
Simone Walther Büel
Tags zum Bericht:
Phytotherapie Unternehmenskommunikation

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